Roland M. Dürre

Evolution – Innovation – Kommunikation

Intern

Aufklärung

Aufklärung ist für mich nicht nur ein Stich- sondern das Schlüsselwort. Kollektive Aufklärung verstehe ich als einen Emanzipationsprozess gegenüber Obrigkeit, Dogmen und Vorurteilen aller Art. Aufklärung ist Bildung! Aufklärung bedeutet für jeden Einzelnen das Hinterfragen der Dinge und das autonome Einsetzen des eigenen Verstandes. Aufklärung versteht, dass es zwar beliebig viele Gewissheiten, aber keine Wahrheit gibt. Und dass jedem, der die Wahrheit predigt, größte Skepsis entgegengebracht werden muss. Aufklärung bedeutet aber auch Toleranz, Zivilcourage und die Bereitschaft zum konstruktivem Ungehorsam. Moralische Prinzipien müssen in Frage gestellt und wenn notwendig mit der Kraft der Ethik außer Kraft gesetzt werden.

In unserem Kulturkreis haben sich unsere Vorfahren durch Aufklärung von klerikaler und feudaler Herrschaft befreit. Die Aufklärung hat uns so viele Fortschritte gebracht: das Recht, das Ende von Leibeigenschaft und Sklaverei, den individuellen Verzicht auf Gewalt durch Übertragung des Gewaltmonopols an den Staat, eine demokratische Staatsorganisation mit legislativer, judikativer und exekutiver Ordnung. Bürger- und Menschenrechte, Grundrechte, Gleichheit der Geschlechter und Rassen, die Abschaffung der Prügel- und Todesstrafe sind Ergebnis von Aufklärung.

Heute kämpft Aufklärung gegen die Irrationalität und den Wahnsinn der „postmodernen“ Gesellschaft. Medien mit einseitiger Interessenslage und die vom Kapitalismus beförderte Ur-Gier der Menschheit bedrohen uns. Der Traum von ewiger Jugend, die Pflicht zur totalen Selbstverwirklichung und das Unterdrücken des Menschlichen in uns gefährden uns. Wir wollen sein wie Gott und dennoch stecken wir uns mehr und mehr in die Zwangjacke eines immer strengeren Über-Ich im Sinne „Das tut man nicht“ oder „Das muss so und nicht anders sein“!

Aber auch der physischen Zerstörung unseres Planeten als unseren Lebensraum müssen wir aufklärerisch begegnen. Und die globale Welt ist alles andere als aufgeklärt.

Aufklärung fängt erst an! Wir müssen alles daran setzen, nicht in Zufriedenheit über das Erreichte bequem zu werden. Wer sich auf seinen Lorbeeren ausruht, trägt diese an der falschen Stelle. Deshalb sollten wir neben den alltäglichen Sorgen uns auch neue aufklärerische Ziele setzen. Was soll die nächste große Errungenschaft der Menschheit sein? Für was müssen wir uns nach Freiheit und Gleichheit einsetzen? Die Rechte für Kinder stehen vor der Haustür. Für die Abschaffung von Folter und Todesstrafe kämpfen wir weiter.

Ich schlage vor, dass wir uns die „straffreie Gesellschaft“ als nächstes Ziel setzen. Warum müssen wir soviel Menschen in Gefängnisse einsperren, nur um unsere Gesellschaft vor dem, was sie selbst produziert, zu schützen? Warum schaffen wir es nicht, uns freiwillig unter die Gesetze zu begeben, die wir im gesellschaftlichen Konsens für notwendig erachten? Warum halten wir uns nur an Regeln, wenn wir bei Regelverstoß mit Bestrafung zu rechnen haben? Könnte man nicht als ersten Schritt die Gefängnisse nicht mehr als Einrichtung der Bestrafung (eigentlich dergesellschaftlichen Vergeltung und persönlichen Rache) sondern als Institution zur Resozialisierung begreifen?

Jetzt werden Sie vielleicht sagen, dass das Abschaffen der Strafkultur doch ein sehr utopisches Ziel ist. Ich kann da nur antworten, das selbst die Protagonisten der Frauenbewegung noch vor 150 Jahren den Erwerb von Bürgerrechten für Frauen als unerfüllbare Utopie bewertet haben und sich um seriösere Erfolgschancen zu haben auf bescheidenere wenn auch sehr revolutionäre Ziele wie z.B. die Zulassung von Frauen an Hochschulen geeinigt haben!